Wer Premium ANC-Kopfhörer sucht, landet aktuell eigentlich immer bei den gleichen großen Namen. Sony, Bose und gelegentlich auch Beats. Die etablierten Standardempfehlungen für Hörer im Bereich von 200-300 Euro. beyerdynamic war dagegen eher für seine HiFi- und Studiokopfhörer für Zuhause bekannt. Mit dem Lagoon¹ wagen sie nun den Vorstoß in den Bereich der Noise Cancelling Kopfhörer und möchte eben diesen bekannten Platzhirschen Konkurrenz machen. beyerdynamic hat mir das gute Stück für 4 Wochen zur Verfügung gestellt. In dieser Zeit habe ich sie täglich intensiv genutzt und mit meinen anderen Hörern verglichen. Wie sich der Hörer also schlägt und wodurch sich der Lagoon¹ absetzen möchte und ob es ihm gelingt, das erfahrt ihr wie immer hier!
Lieferumfang und Verarbeitung
Der beyerdynamic Lagoon kommt mit einem Ladekabel, einem analogen Klinkenkabel so wie einer stabilen Schutzhülle für unterwegs daher. Auf den ersten Blick fällt das recht nüchterne Design auf. Eine Sache die mich persönlich bei Kopfhörern anspricht. Nicht zu wuchtig und eben relativ schlicht. Nimmt man ihn aber dann das erste mal in die Hand, überrascht er mit seiner Verarbeitung. Das fühlt sich erstmal ein wenig nach Plastikbomber an. Klar, eigentlich setzen hier viele Hörer auf Kunststoff für ein möglichst angenehmes Gewicht, trotzdem fühlt es sich zu Beginn nicht übermäßig wertig an. Neben der Haptik des Materials liegt das für mich an den extrem leichtgängigen Gelenken. Der Hörer bietet beispielsweise den üblichen Faltmechanismus mit dem ihr ihn platzsparend für den Transport verstauen könnt. Nimmt man ihn in diesem Zustand hoch, klappt er sich direkt wieder auseinander. Das ist vermutlich so gewollt, fühlt sich aber einfach nicht so wertig an.
Im Inneren bietet er aber doch mehr als Kunststoff. Fährt man die Kopfbandverstellung mal aus, kommt hier eine anständige Metalkonstruktion zum Vorschein. Der Mechanismus selbst rastet dabei merklich in den verschiedenen Stufen ein. Qualitativ so wie man es auch von den anderen Hörern kennt. Allerdings war hier auch die kleinste Einstellung schon recht groß. Also nichts für ganz kleine Köpfe.
Am Kopfband selbst und an den Ohrmuscheln erwartet euch Kunstleder. Qualitativ stimmt hier nach erstem Eindruck alles. Beim ersten Tasten wirkt das Polster recht straff und auch der darunterliegende Schaumstoff eher fest. Wie gut er sich in der Praxis aber trägt, dazu kommen wir gleich.
Nach den ersten vier Wochen kann ich zumindest sagen, dass man sich an die Haptik gewöhnt. Da konnte ich trotz des ersten Eindrucks keinerlei praktische Nachteile feststellen. Trotz intensiver Nutzung scheint es mir eher von meinen bisherigen Hörern eine Umgewöhnung zu sein. Insofern relativiert sich der Eindruck ein wenig. Dennoch kommt hier nach wie vor nicht das gleiche Premiumfeeling auf.
Features
Schauen wir uns mal Features und Bedienung im Detail an. Alles wichtige findet ihr bei diesem Hörer an der rechten Ohrmuschel. Das Umfasst den aktuellen USB-Typ-C-Anschluss zum Laden, eine 3,5mm Klinkenbuchse falls ihr auf Bluetooth verzichten möchtet, So wie zwei Schiebeschalter.
Der erste ist zum Ein- und Ausschalten und zum Pairen des Geräts. Der zweite legt den Grad der Geräuschunterdrückung fest. Aus, Stufe 1 oder Stufe 2. Da das hier einrastende Schalter sind, wird die aktuelle Einstellung auch mit jedem Neustart wiederhergestellt.
Zudem gibt es noch zwei auf den ersten Blick nicht ganz so offensichtliche Features. Dieser Hörer bietet auf der Außenseite der rechten Ohrmuschel ein Touch-Feld. Über einfache Gesten könnt ihr hier ähnlich wie bei der Konkurrenz ein paar Eingaben vornehmen. Streicht ihr nach oben bzw. unten, erhöht bzw. verringert ihr die Lautstärke. Nach vorn oder hinten springt zum letzten bzw. nächsten Song. Doppeltes Tippen startet bzw. pausiert die wiedergabe, langes Berühren aktiviert den Sprachassistenten.
Das zweite Feature verbirgt sich im inneren der Ohrmuschel. Hier gibt es eine schicke LED-Beleuchtung, die euch alle wichtigen Infos farblich darstellt. Steht die Bluetoothverbindung, ist der Akku schwach und ähnliches. Die Beleuchtung ist dabei nur aktiv, wenn sie benötigt wird. Während ihr den Kopfhörer tragt, gibt es also keine Lichtorgel für die Ohren.
Codec-Mäßig bietet der Hörer die wichtige Basis. SBC, AAC, aptX so wie dessen Low Latency-Variante. Was zum Leidwesen aller Audioenthusiasten, die sie ja eigentlich ansprechen wollen, fehlt, ist aptX HD. Aus meiner Sicht verschenktes Potenzial. Denn der Sound kann sich ansonsten echt hören lassen.
Akkumäßig soll er es ohne ANC auf rund 45 Stunden bringen, mit auf knapp 24 Stunden. Das lag dicht an meinen Praxiswerten und ist durchaus anständig.
Tragekomfort
Der Kopfhörer sitzt ganz ordentlich, kann in Sachen Bequemlichkeit aber nicht mit der Konkurrenz mithalten. Das zuvor erwähnte, eher feste Polster fühlt sich auch in der Praxis eher hart an. Es gab zwar keinen unangenehmen Anpressdruck, auch nicht als Brillenträger, aber dennoch wäre hier ein dickeres und weiches Polster die bessere Wahl gewesen. Insbesondere, da meine Ohren trotz keiner übermäßigen Größe ständig Kontakt mit der Innenseite des Hörers hatten. Das bekommt die Konkurrenz wie gesagt durchweg besser hin. Und selbst die hier vorgestellten Studiohörer aus eigenem Hause machen da einen besseren Job. Das finde ich wirklich schade.
Der Sound & ANC
Soundmäßig braucht sich der Neuling von Beyerdynamic nicht vor der Premiumkonkurrenz verstecken. Der Klang ist auf dem gesamten Frequenzspektrum sehr detailreich und verzichtet auf den sonst für Beyerdynamic typischen Peak in den Höhen. Der Bass kommt recht straff und präzise daher, hätte aber für meinen Geschmack eine Ecke mehr Volumen vertragen können. Trotzdem ist er in diesem Bereich solides Mittelfeld, wenn man mal Ohr in Richtung Bose und Sony wirft.
Mit aktiviertem ANC verändert sich der Sound ein wenig, wird aber nicht unbedingt schlechter. Stichwort ANC: Stufe 1 kann man im Prinzip vergessen. Die Wirkung ist minimal. Stufe 2 ist dagegen durchaus brauchbar. Konstante tieffrequente Störgeräusche wie im Zug werden anständig abgesenkt und das ohne ein unangenehmes Druckgefühl, wie es gelegentlich bei ANC vorkommt. Bedenkt man aber, dass man hier einen Premiumkopfhörer hat, ist das Ergebnis nicht gerade beeindruckend. Verglichen mit der Konkurrenz ist bietet der Lagoon die schwächste ANC-Variante, eher auf dem Niveau diverser günstiger Noname ANC-Hörer im Bereich von um die 50 Euro und das ist echt enttäuschend. Eine der wichtigsten Stellen, an denen man bemerkt, dass der Lagoon einfach noch nicht ausentwickelt ist und die Konkurrenz bereits weit mehr Erfahrung in ihre aktuellen Generationen gesteckt hat. Also kurz: Solide, aber einfach nicht dem Preis entsprechend.
Zudem ist mir unterwegs ein weitere Eigenschaft aufgefallen, die bei anderen Hörern nicht so extrem ausgeprägt war. Windgeräusche. Gerade unterwegs im Freien kam es beim Lagoon zu stark wahrnehmbaren Geräuschen bei leicht windigem Wetter. Das ist wohl einfach dem Design geschuldet.
Die App
Passend zum Hörer gibt es aber noch eine App, die auch eine Auswirkung auf den Klang hat. Die schauen wir uns jetzt kurz an. Funktionsmäßig ist sie recht übersichtlich.
Im Prinzip gibt es hier ein wenig Statistik so wie die Möglichkeit die Empfindlichkeit der Touchfläche anzupassen und sich noch einmal anzusehen, wie die Bedienung mittels Gesten funktioniert.
Interessant ist aber die Option der Klangoptimierung. Ihr habt hier keine aktive Einstellmöglichkeiten, um ihn nach euren Wünschen zu formen. Statt dessen durchlauft ihr eine Art Hörtest. Solange ihr einen Ton hört, haltet ihr den Button gedrückt und lasst ihn los, sobald ihr keinen Ton mehr wahrnehmt. Auf Grundlage dieser Daten wird der Sound des Kopfhörers an eure Hörfähigkeiten angepasst, um den optimalen Klang zu liefern. Dabei habt ihr noch die Möglichkeit die Stärke der Anpassung zu beeinflussen.
Bei mir hat sich dieses Feature positiv auf den Klang ausgewirkt. Das Ergebnis wirkte klarer und offener als zuvor. Vornehmlich durch leicht betonte Höhen. Nett: Die Einstellungen werden direkt auf dem Lagoon gespeichert, so dass der Sound auch zukünftig ohne App für euch optimal bleibt, egal mit welchem Gerät er genutzt wird. Trotzdem wäre mir das ganze in manuell anpassbarer Equalizerform lieber gewesen, beispielsweise um dem Bassvolumen etwas auf die Sprünge zu helfen. So ein Profil dann auf dem Hörer zu speichern, wäre genau das Feature, was ich vermisse.
Fazit
Kommen wir damit zum Fazit. Der Beyerdynamic Lagoon ist ein wirklich anständiger Noise Cancelling Kopfhörer. Aber er hat ein Problem. Er möchte sich im Premiumbereich zwischen fest etablierter Konkurrenz positionieren und fühlt sich in deren Gegenwart aber einfach noch nicht fertig an. Wie ein guter Versuch, der einfach noch nicht da angekommen ist, wo er hin will. Dabei ist der Klang schon wirklich hervorragend, die ANC-Fähigkeit aber noch ausbaufähig. Auch in Sachen Bequemlichkeit darf sich gerne noch etwas tun, eben so wie im Wirken der Verarbeitung. Alles in allem nicht schlecht, aber aktuell wird er seinem mehr als stolzen Preis von 300 Euro einfach noch nicht. Immerhin auch nach 4 Wochen intensiven Gebrauchs, halten sich die Abnutzungserscheinungen trotz losem Transport im Rucksack eher Grenzen.
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