Volla Phone im Test – Das etwas andere Smartphone-Konzept mit Fokus auf Privatsphäre und Datenschutz

Es gibt einen Grund, warum ich hier normalerweise keine Smartphones vorstelle – und der ist relativ simpel. Ich finde die aktuelle Smartphone-Landschaft schlicht und ergreifend langweilig. Viele jagen den Spitzenmodellen hinterher, um am Ende doch nur zu 90% durch Social Media zu scrollen und ihre Stamm-Messenger benutzen. Wirklich spannende Geräte sind daher für mich eher die Ausnahme. Eine davon möchte ich mir aber dann doch mal gerne mit euch anschauen. Und zwar das Volla Phone vom deutschen Hersteller Hallo Welt. Was dieses Gerät spannend macht, ist nicht die Hardware, sondern das zu Grunde liegende Konzept. Hier soll der Fokus auf Privatsphäre liegen. Sprich keine Daten in der Cloud bei irgendeinem Unternehmen. Gleichzeitig setzen sie einen komplett eigenen Launcher mit doch recht spezieller Bedienung ein. Aber es gibt noch weitere Besonderheiten, wo man hier andere Wege eingeschlagen hat. Was also genau das Volla Phone ausmacht und für wen es gedacht ist, das erfahrt ihr wie immer hier.

Das Gerät

Das Konzept des Volla Phones basiert vor allem auf der Software. Schauen wir uns daher den Hardware-Part nur kurz an. Effektiv handelt es sich hier um ein bereits bekanntes und kein selbstentwickeltes Gerät. Als Basis dient nämlich das nicht mehr ganz frische Gigaset GS290. Das setzt auf Hardware, die man eher im typischen Einsteigersegment zwischen 100-200 Euro findet. Daher wirkt hier alles erstmal sehr unspektakulär. Ein leicht klobiges, recht dickes Design mit Notch oben in der Mitte. Das Display bringt es auf 409 PPI bei 60 Hz und ist was Farben und Blickwinkel angeht eher zweckerfüllend. Eben so wie der ganze Rest. Hier kann man leider an keinem Punkt herausragende Qualität erwarten, aber eben ein schlichtes, funktionales Gerät.

Für die Leistung ist der eher schwache MediaTek Helio P23 Prozessor zuständig, gepaart mit 4GB Arbeitsspeicher und 64GB EMMC-Speicher für eure Daten. Also wie erwähnt typische Einsteiger-Hardware. Dafür ist immerhin der Akku mit 4700 mAh recht langlebig.

Die Software

Das besondere bei diesem Smartphone soll aber die Software sein. Das beginnt schon damit, dass ihr nicht nur auf klassisches Android beschränkt seid. Statt dessen habt ihr die Wahl zwischen VollaOS, also Vollas eigener Android-Version, Ubuntu Touch, eine Linux-basiertes, freies mobiles Betriebssystem und SailfishOS. Ebenfalls ein Linux-basiertes, freies Betriebssystem, welches von der finnischen Firma Jolla entwickelt wird.

Vollas Hauptaugenmerk liegt auf dem Thema Datenschutz. Also dass ihr maximale Kontrolle darüber habt, wer Zugriff auf welche Daten hat. Heißt, hier gibt es standardmäßig nicht einen Dienst oder eine App von Google, Facebook, Amazon oder sonstigen Unternehmen. Das gilt für alle drei Betriebssystem-Optionen. Dabei aber vorweg: Ich habe ein wenig mit dem Ubuntu-System rumgespielt. Aber ganz ehrlich: Das fühlt sich alles noch sehr unrund an und hat noch einen sehr weiten Weg vor sich, bis es tauglich für die breite Masse ist. Daher werde ich hier an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen.

Schauen wir statt dessen mal, was die Firma hinter dem Volla Phone aus der Android-Basis gezaubert hat. Und ganz ehrlich: Es ist recht unspektakulär. Wirklich relevant sind hier zwei Aspekte. Der eigene Launcher und die Änderungen im Android System. Schauen wir zunächst das Basis-System näher an. Als Grundlage dient wie bei so ziemlich allen ROMs das AOSP – also das Android Open Source Project – auf dem jeder aufsetzend sein eigenes System anpassen kann.

Wenn man sich so ein System zur Brust nimmt, hat man datenschutztechnisch schon direkt eine solide Basis. Google-Services, ein recht zentraler Punkt für die meisten Android-Varianten, fehlt hier bereits. Dennoch finden sich diverse Google-Funktionen in den System-Apps, die ihr so kennt. Sei es die Synchronisationsfunktion für Kontakte oder ähnliches. Statt diese Apps umzuschreiben, hat man sich für ein Set alternativer Standard-Apps entschieden. Und zwar für die Simple Mobile Tools. Ein Satz Apps, der sich durch Minimalismus auszeichnet und dem Verzicht auf proprietäre Systeme. Alle samt sehr übersichtlich und eher schlicht gehalten.

Aber: Um ein modernes Smartphone sinnvoll Nutzen zu können, muss man auch neue Apps installieren können und das ohne zwingend APK-Dateien – also quasi die installierbaren gepackten App-Dateien – per Hand zu installieren. Dafür hat man sich für F-Droid und den AuroraStore entschieden. Ersterer kümmert sich um alle Systembezogenen Apps, letzterer ist ein alternativer Client für Googles App-Store. Wer sich jetzt fragt: Wie das mit Datenschutz zusammenpasst: ganz einfach.

Der Aurora-Store bedient sich quasi bei der kompletten App-Auswahl des Google-Stores. Damit Google trotzdem so wenig Daten wie möglich erhält, wird der Datenaustausch auf ein Minimum reduziert und lässt sich sogar komplett ohne Google-Konto durchführen. Lediglich wenn ihr gekaufte Apps installieren wollt, ist ein Account notwendig. Aber auch dann, ist der Datenaustausch weitestgehend reduziert.

Jetzt gibt es aber einen wichtigen Punkt: Das komplette Konzept des Volla Phones steht und fällt mit eurer persönlichen Nutzung. Denn: Es liegt bei euch, welche Apps ihr gerne nutzen wollt. Installiert ihr Facebook, Twitter, Whatsapp und ähnliches auf dem Volla Phone, können diese Apps wie bisher sämtliche Daten abgreifen, wie sie es auch auf jedem anderen Gerät tun. Es gibt keine echten Maßnahmen, um an dieser Stelle einzugreifen. Heißt, sinnvollerweise verzichtet ihr auf derlei Apps und nutzt zum Beispiel alternativ die entsprechenden mobilen Seiten.

Gleichzeitig gibt es aber auch noch ein weiteres Problem: Viele Apps nutzen für die Umsetzung bestimmter Funktionen Google-Services und sind ohne diese teilweise nur eingeschränkt nutzbar. Einige andere Apps wie Telegram bieten einfach komplett Google-freie Alternativen.

Der Launcher

Der zweite herausragende Punkt, der mich nicht ganz so begeistern konnte, ist der eigene Launcher. Hier liegt der Fokus vor allem auf einfacher und schneller Bedienung und geht in diesem Sinne ganz eigene Wege. Eine zentrale Rolle spielen hier das Springboard und der rote Button hier unten. Letzterer ist quasi ein kleines Menü, dass sich durch Gedrückthalten öffnet und euch zu verschiedenen Apps bringt. Bisher gab es da eine eher eingeschränkte Auswahl an System-Apps. Mit einem kommenden Update könnt ihr die Liste aber auch um eigene Apps ergänzen, was die Funktion gleich eine Ecke praxistauglicher macht.

Das Springboard soll euch ähnlich einfach ans Ziel bringen. Hier könnt ihr einfach loslegen zu Tippen und dann quasi Auswählen, was ihr machen wollt. zB einen Anruf tätigen, eine SMS schreiben, einen Termin anlegen. Die Auswahl ist da noch recht eingeschränkt. Eben auf die mitgelieferten Standard-Apps. Alternativ findet ihr durch rüber Swipen links auf noch sämtliche Apps, die ihr installiert habt. Ich hatte das System jetzt über einen Monat im Einsatz. So richtig meins ist es aber nicht.

Aber das ist auch nicht schlimm. Denn ihr könnt auch einfach auf den Standard-Launcher von Android wechseln oder eben einen ganz anderen installieren. Dann habt ihr quasi ein ganz normales Android, nur eben ohne Google.

Update-Politik

Ein interessantes Konzept ist natürlich nur die halbe Miete. Wenn man sich für ein Gerät entscheidet, bei dem die Software in Vordergrund steht, möchte man natürlich auch, dass die Hardware lange unterstützt wird. Viele Hersteller vergessen ihre Geräte nach nicht mal 2 Jahren. Hallo Welt verspricht dahingehend regelmäßige Updates über mehrere Jahre hin weg. Wobei man hier selbst gerade erst aufholt. Bis vor kurzem bildete noch Android 9 die Basis, während wir uns langsam auf Android 12 zubewegen. Android 10 wurde kürzlich nachgeliefert und auch kommende Android-Versionen sollen mitgenommen werden. Allerdings ist die Entwicklung hier noch etwas träge. Besser sieht es dahingehend aber im Bereich der Sicherheits-Updates aus. Nachdem es auch hier Anlaufschwierigkeiten gab, gibt es mittlerweile regelmäßige monatliche Updates. So sollte es sein. Aktuell sind mindestens 3 Jahre Update-Versorgung als minimum angepeilt mit Ambitionen in Richtung 5, abhängig davon, wie das Gerät angenommen wird.

Praxis im Alltag

In der Praxis bemerkt man von den Besonderheiten des Volla Phones nicht viel. Und das ist auch gut so. Letzten Endes sollten all die Veränderungen auch keine Auswirkung auf die Nutzung selbst haben. Abseits natürlich der App-Funktionen, die ohne Google nicht funktionieren.

Abgesehen davon fühlt es sich rein von der Performance gelegentlich etwas zäh an. Das ist aber letzten Endes der Hardware geschuldet. Sprich die Ladezeiten der Apps sind nicht herausragend und auch das Scrollen im Browser kommt hin und wieder ins Stocken, wenn ihr durch aufwändigere Seiten navigiert. Eine potentere Hardware-Alternative ist aktuell nicht in Sicht. Immerhin genügt das für die meisten alltäglichen Aufgaben. Eine sehr individuell empfundene Einschränkung, die man hinnehmen muss.

Zu haben ist das Volla Phone für stolze 359 Euro. Bzw. das Volla Phone X, eine etwas robustere Alternative mit gleicher Hardware im Inneren für 449 Euro. Ob einem das die Privatsphäre wert ist, muss letzten Endes jeder für sich selbst entscheiden. Wichtig ist nur, dass man hier eben nicht für die Hardware sondern eher für das Konzept bezahlt. Und nicht nur das: Hallo Welt unterstützt aktiv mit eigenen Ressourcen auch die Entwicklungen weiterer freier Systeme wie Ubuntu Toch und macht selbst das eigene System offen verfügbar. Gleichzeitig müssen sie aber auch auf Einnahmen auf Basis eurer Daten verzichten und müssen mit geringeren Stückzahlen kalkulieren. Insofern muss man den Preis hier auch etwas in Relation sehen.

Über Obli 221 Artikel
Leidenschaftlicher Technikfreak mit einem Hang zu allem, was irgendwie multimedial ist.